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TEXT Nick Pulina
Die vergangenen Tage waren extrem, und vermutlich waren sie nur ein Vorgeschmack auf den noch nicht einmal zwei Wochen alten Sommer. Dass die Temperaturen dennoch bereits tropisches Niveau erreicht haben, erfordert auch kulinarische Anpassung. Wenn selbst das Kochen zu einer schweißtreibenden Aufgabe wird, hilft ein Blick in die Küchen jener Regionen, in denen Hitze Alltag ist. Dort hat man längst gelernt, wie sich Genuss und Abkühlung verbinden lassen: mit kalten, frischen und oftmals rohen Speisen, die nicht nur beim Essen selbst abkühlen, sondern auch die Zubereitung so angenehm wie möglich gestalten. Hier sind sechs Gerichte, die sich mühelos vorbereiten lassen und uns auch an den heißesten Tagen nicht überhitzen lassen.
Ceviche – Peru
Das peruanische Nationalgericht ist ein Inbegriff der Frische. Der rohe Fisch – meist weißfleischig und fest – wird nicht im herkömmlichen Sinne durch Hitze gegart, sondern in Limettensaft, der sogenannten ‚Leche de tigre‘ (Tigermilch), mariniert. Die Säure der Zitrusfrucht verändert die Struktur des Eiweißes und gart die Oberfläche des Fleisches sozusagen kalt. Chili, rote Zwiebel, Salz und frischer Koriander verleihen Tiefe. Oft kommen Maiskolben, Süßkartoffeln oder Avocado dazu. Je kürzer der Fisch in der Marinade bleibt, desto zarter das Ergebnis. Zehn Minuten genügen meist.

„Ceviche ist peruanische Frische pur.“
Çiğköfte – Türkei
Übersetzt man ‚Çiğköfte’ wörtlich, so deutet ihr Name auf das hin, was sie einst waren: rohe Frikadellen. Ursprünglich aus rohem, feingehacktem Rindfleisch zubereitet, ist heute die vegane Variante zum Standard geworden. In der Türkei, dem Mutterland der Çiğköfte, ist die Verwendung rohen Fleisches inzwischen aus Gründen der Lebensmittelsicherheit sogar verboten worden. Für die auch hierzulande verbreitete, tierproduktfreie Variante wird gegarter Bulgur mit Tomatenmark, Paprikapaste, Zwiebel, Kreuzkümmel, Chili und Granatapfelsirup vermengt. Durch langes Kneten entsteht eine würzige, leuchtend rote Masse, die zu kleinen Portionen mit typischer fingerabdruckartiger Optik geformt wird. Serviert werden Çiğköfte entweder mit dünnen Teigfladen oder – gleich noch sommerlicher – in Salatblättern, aufgepeppt mit Minze, Zitronensaft und scharfem Sumach.

„Würze trifft Frische – Çiğköfte, das türkische Sommergericht.“
Šaltibarščiai – Litauen
Zugegeben, Litauen gehört nun nicht direkt zu den heißesten Flecken der Erde. Da die dortige Küchentradition trotzdem eines der im wahrsten Sinne des Wortes ‚schönsten‘ Sommergerichte hervorgebracht hat, gebührt dem südlichsten der Baltischen Staaten dennoch ein Platz in dieser Liste. Denn wenn in Litauen der Sommer ausbricht, dann in leuchtendem Pink. Šaltibarščiai heißt die kalte Rote-Bete-Suppe auf Buttermilchbasis, die vor allem in der heißen Jahreszeit auf beinahe jedem Teller zu finden ist. Gegarte und fein geraspelte Bete wird mit (eingelegter) Gurke, Dill, Frühlingszwiebeln und gekochtem Ei kombiniert, dann mit Buttermilch oder Kefir aufgegossen und eisgekühlt, oft tatsächlich mit Eiswürfeln, serviert. Dazu gibt es warme, salzige Kartoffeln.

„Litauens erfrischender Sommer in leuchtendem Pink.“
Gazpacho – Spanien
Andalusien weiß, wie man die Mittagshitze kulinarisch übersteht. Einst galt Gazpacho als klassisches Bauernessen, heute ist es ein Klassiker der modernen Küche. Tomaten, Gurke, Paprika, Knoblauch, altbackenes Weißbrot, Essig, Salz und Olivenöl werden fein püriert und gut gekühlt in einem unkomplizierten Trinkglas serviert. Am besten schmeckt die Suppe nach einigen Stunden Ziehzeit im Kühlschrank, wenn sich die Aromen verbunden haben. Wer mag, ergänzt sie um Croutons, gehacktes Gemüse oder püriert etwas Wassermelone mit hinein. Schnell gemacht, erfrischend und zusätzlich auch noch gesund.

„Gazpacho ist Spaniens kühle Antwort auf die Mittagshitze.“
Som Tam – Thailand
Grüne Papaya ist fest, säuerlich und beinahe gurkenartig, also ideal für einen Salat, der mehr ist als bloße Beilage. In einem Mörser werden Chili, Knoblauch, Limettensaft, Fischsoße, Palmzucker, kleine Tomaten, Erdnüsse und manchmal getrocknete Garnelen miteinander zerstoßen. Dann kommt die fein geraspelte Papaya hinzu und fertig ist die Som Tam. Der Salat ist nicht nur überaus erfrischend, sondern auch ein echtes Abenteuer für die Geschmacksknospen: scharf, süß, sauer, salzig und knusprig zugleich. In Thailand gehört die Som Tam zu den beliebtesten Straßenessen, serviert mit Klebreis oder einfach pur.

„Som Tam ist Thailands erfrischende Sommerfrische.“
Granita al Limone – Italien
Die sizilianische Granita ist kein Sorbet, sondern etwas Ursprünglicheres. Wasser, Zucker und frischer Zitronensaft werden vermischt und in den Froster gegeben. Wird die Masse über die nächsten Stunden immer wieder mit einer Gabel aufgerührt, entsteht die typische körnig-kristalline Textur der Granita, die sich wie grobe Schneekristalle auf der Zunge anfühlt. Besonders in Catania und Syrakus isst man Granita zum Frühstück, oft mit einem süßen Brioche. Neben Zitrone sind auch Mandel, Kaffee oder Erdbeere klassische Varianten. In der eigenen Küche sind der Kreativität keinerlei Grenzen gesetzt.

„Granita al Limone ist Italiens spritzige Sommerkälte in kristalliner Form.“